Über uns

Schloss

Wie alles begann

Immer wieder beschäftigt unsere Stiftsgenossen die Frage nach der Herkunft der Bezeichnung „Hofjünger“: Wer sind die Hofjünger? Woher kommen sie? Handelt es sich um eine religiöse Sekte, einen Geheimbund, eine politische Partei oder gar ein altes Adelsgeschlecht? Um Licht in das Dunkel solcher Vorstellungen zu bringen, müssen wir das Rad der Geschichte sehr weit zurückdrehen, mindestens bis ins Jahr 1340. Damals beherrschten noch die Grafen von Tog­genburg mehrere Ländereien im heutigen Gebiet des Toggenburgs. Die eigentliche Verwaltung der gräflichen Güter befand sich zu jener Zeit im „Kelnhof“ zu Bütschwil. Die Pächter der zuge­hörigen Bauernhöfe rund um Lichtensteig, Wattwil und Ebnat waren natürlich zinspflichtig, doch machten es sich die Verwalter auf dem Kelnhof sehr einfach: sie setzten eine jährliche Pau­schalsumme fest, nämlich 22 Pfund (wieviel das nach heutiger Währung und Kaufkraft wohl sein mag?), ferner zusätzlich insgesamt 7 Kälber! Wie die Bauern diesen Pachtzins zusam­menbrachten, interessierte die Herrschaft nicht. So blieb den Pächtern nichts anderes übrig, als eine Art solidarischer Genossenschaft unter einem selbstgewählten Ammann zu gründen. Die einzelnen Genossenschafter nannte man – weil sie von einem zentralen Hof, eben jenem „Kelnhof“, abhängig waren – in der Folge der Einfachheit halber „Hof-jünger“. Durch diese Be­nennung unterschieden sie sich auch von den „Gotteshausleuten“, welche ihre Zinsen von An­fang an dem Abt von St.Gallen schuldeten.

Verkauf an das Kloster St. Gallen

100 Jahre später starb das Grafengeschlecht der Toggenburger aus. Die Erben anerkannten jedoch die Genossenschaft der Hofjünger mit deren Ammann, dem sogar eine eigene niedere Gerichtsbarkeit zugestanden wurde. Aber die Herrlichkeit dauerte nicht lange. Im Jahre 1468 wurde der gesamte ehemalige Besitz der Grafen an das Kloster St.Gallen verkauft. Der Abt des Klosters setzte der Reihe nach Vögte in das ihm gehörende Schloss Yberg Wattwil ein und verlangte nun auch von den Hofjüngern, dass sie ihre Zinsen samt Fasnachtshühnern und Kälbern daselbst abgaben. Ausserdem wurden die Hofjünger verpflichtet, einen Tag pro Jahr Frondienst zu leisten. Das ging den stolzen und selbstbewussten Hofjüngern eindeutig wieder den Strich, wie überhaupt die ganze Yburg, heute erhabenes Wahrzeichen des Dorfes Wattwil, den Hofjüngern jahrhundertelang wie eine vergifteter Pfeil im Fleisch vorkam. Unter ihrem Druck verzichteten zwar die Äbte ab 1527 vorübergehend auf den Frondienst und gewährten einen entsprechenden Freiheitsbrief. 1663 bestand jedoch der damalige Abt Gallus Alt erneut auf den Frondienst-Tag, wahrscheinlich weil er erfahren hatte, dass die zwar freiheitsliebenden aber wenig ordnungsliebenden Hofjünger beim besten Willen nicht mehr wussten, wo sie ihren Freiheitsbrief deponiert hatten! (Er befand sich übrigens im Archiv von Schwyz). Nicht gewillt, Erreichtes wieder zu verlieren, sammelten die Hofjünger zähneknirschend Geld, um mit 1000 Gulden und 36 Kreuzern aus der Sammlung als Anfangsvermögen der Hofjüngerstiftung. 1722 betrug das Vermögen bereits 2553 Gulden.

Feuer

Die Aufteilung der Hofjünger

Wo Geld ist, da melden sich auch „Mitesser“. Es meldeten sich Familien, die behaupteten, Hofjünger zu sein, obwohl sie vorher einen Bogen um diese herum gemacht hatten.

Wo Geld ist, da mehren sich auch die Schwierigkeiten, was damit zu geschehen hat, vor allem wenn viele daran beteiligt sind.

Im Jahre 1730 trennten sich die Hofjünger in 4 einzelne Korporationen:

– evang. Hofjünger Wattwil

– evang. Hofjünger Ebnat

– evang. Hofjünger Kappel

– kath. Hofjünger Wattwil

Dass diese Trennung nicht nur nach Gemeinden, sondern in Wattwil auch nach Konfessionen erfolgte, war wohl wieder einmal das „Verdienst“ des Abtes von St. Gallen oder mehr noch seines verhassten Vogtes Schorno auf Schloss Yberg, der bis 1710 ein recht blutrünstiges Regiment führte. In einer milden Frühlingsnacht eroberten daher 24 erzürnte Wattwiler Bauern – darunter mehrere Hofjünger — mit List und Gewalt die Burg, nahmen den bösen Vogt gefan­gen und jagten ihn schliesslich in die Verbannung. Die Freiheit erlangten die Wattwiler dennoch nicht, weil sie von ihren Bundesgenossen ennet dem Ricken im Stich gelassen wurden. Zwar verlor in der Folge die Yburg etwas von ihrem Schrecken, doch hielten sich die Äbte das Tog­genburg krampfhaft untertan bis 1803, als die französische Revolution alle Untertanenverhält­nisse beseitigte und St.Gallen in den Bund eintrat.

Kurze Zeit zuvor – im Jahre 1781 – schlug die Geburtsstunde der Neuen evang. Hofjüngerstif­tung, zu der wir gehören:

47 Angehörige von 15 Geschlechtern zu Wattwil gründeten einen eigenen Fonds als „Neustiftungsgut“. Folgende Geschlechter waren vertreten:

Abderhalden,  Lüthi,   Bösch,   Mettler,   Brunner,   Roth,   Bleiker,   Sturzenegger,   Hartmann,   Wälly,   Hilpertshauser,   Wagner,   Kappler,   Zuber,   Kläger

Warum scherten diese Familien aus der bisherigen Korporation aus? Weil die „alten“ Hofjünger wieder einmal das Sparen verlernt hatten und keinen besonderen Wert auf die Mehrung des Vermögens legten. Die „Neuen“ aber verlangten in ihren ersten Statuten (unterzeichnet von Abraham Abderhalden und Stefan Kappler), dass das Vermögen nicht angetastet werden dürfte und auch bei einem Todesfall kein anteilsmässiger Rückzug statthaft sei. Anfangs durfte der Ertrag nur für arme Waisen verwendet werden.

1829 wurde der Ertrag auf alle Söhne und auf alle Alten (ab 60 Jahre) ausgedehnt

1834 wurden auch die Töchter bedacht

Das Vermögen betrug             1781                              99 Gulden

1848                        14000 Gulden

1974                        64554.08 Franken

Mittelalter

Hofjünger heute

Folgende Geschlechter sind heute mit insgesamt 104 stimmberechtigten Stiftsgenossen vertreten (die „verschollenen“ Hofjünger habe ich dabei nicht berücksichtigt!):

Abderhalden,   Kläger,    Meyer,   Stählin,    Wagner,    Wälly

Heute, in unserer modernen und von Materialismus geprägten Zeit denkt sich wohl der eine oder andere, ob es sich noch lohnt, verstaubten Traditionen nachzuhängen und an einem als Folge der Geldentwertung sehr bescheiden gewordenen Vermögen herumzubasteln. Wir können weder arme Waisen noch alte Menschen tatkräftig unterstützen. Alles was wir heute finanziell bieten können, ist immer nur Symbol. Aber sind Symbole wertlos? Muss immer nur kaufmännisch gedacht und gehandelt werden, um als sinnvoll bestehen zu können? Unsere Vorfahren haben über Jahrhunderte hinweg gegen den eintägigen von den Vögten auf Yberg aufgezwungenen Frondienst gekämpft, Freiheitsstrafen und blutige Köpfe geholt, obwohl ein solcher Frondienst materiell nach heutigem Begriff kaum einem halben Prozent Steuern ent­sprach. Sie handelten ohne Berechnung nur einfach deshalb, weil sie stolz auf ihre freiheit­lichen Rechte waren.

Und wir? Dürfen wir nicht auch ein bisschen stolz darauf sein, wenigstens zu den Nachkommen dieser weitsichtigen Männer zu gehören? Was können wir heute und in Zukunft tun, um uns des Erbes würdig zu erweisen?

Materiell vielleicht nichts, weil sich auch unsere Umwelt gewandelt hat. Aber wir können die Liebe zur Heimat im engeren Sinn pflegen, zu unserem Heimatdorf, dessen wir uns nicht zu schämen brauchen. Und wir können uns selber, die wir aus allen Landesteilen und sogar aus dem Ausland zusammengekommen sind, eingedenk unserer traditionsreichen Verbundenheit näher kennenlernen, die Kontakte pflegen, auf dass wir nicht nur auf dem Papier Hofjünger bleiben. Das sollte uns wirklich nicht schwer fallen!

Seit der „Geburtsstunde“ der Neuen evangelischen Hofjüngerstiftung sind 220 Jahre vergangen. In der Zwischenzeit wurden die Statuten aus dem Jahre 1847 revidiert und den Gegebenheiten, wie sie im letzten Abschnitt beschrieben sind, angepasst (1993) und seit der Einführung mit dem jährlichen Familientreff am 1. Septembersonntag „nachgelebt“! Aber auch die weiblichen Hofjünger wurden in der Revision mitberücksichtigt und den Männlichen gleichgestellt. So glauben wir, uns unseren Vorfahren würdig zu erscheinen und hoffen, dass wir noch viele Jahre die Liebe zur Heimat pflegen können.

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